Bio-Pioniere aus Leidenschaft
Mit ihrem Vater, dem Geschäftsführer Bernhard Bauer, leitet Lucia Scheige die Treibholz Bio & Naturwaren GmbH. Im Produktportfolio befinden sich – neben Glasfeilen und Bio-Kosmetik aus eigener Manufaktur- hochwertige feste Seifen unter den Marken “FINigrana Naturkosmetik“, „Savon du Midi“ und „La Corvette Marseille“. Die Nachfrage nach Seifen wächst stetig. Der Erfolg ist das Ergebnis einer konsequenten ökologischen Unternehmensführung.

„Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden, es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.“ (Johann Wolfgang von Goethe)
Dieses Zitat begleitet Bernhard Bauer von Anfang an. Aus der Überzeugung heraus, etwas bewegen zu wollen und aktiv etwas gegen die zunehmende ökologische Problematik zu tun, startet er 1978 sein erstes Bio-Projekt. Noch als Student gründet er mit Gabriele Krüger einen Bioladen mit Bäckerei bei Bonn. Mit der ebenfalls von ihm aufgebauten mobilen Küche „Bioase“ bekocht er bundesweit bis Ende der 90er Jahre Großveranstaltungen mit biologischer Vollwertkost. Parallel dazu startete er in den 80er Jahren mit dem Handel mit Bio- und Naturprodukten. Das ist auch das Fundament der heutigen Treibholz Bio & Naturwaren mit Sitz in Korschenbroich und mittlerweile 20 Mitarbeitern.
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“- hier passt es. Die ökologische Unternehmensphilosophie ist auch seiner Tochter Lucia Scheige (29) ans Herz gewachsen ist. Nach einer Lehre als Groß- und Außenhandelskauffrau steigt sie 2014 in den väterlichen Betrieb ein und begleitet aktiv den Umzug in das neue Firmengebäu in Korschenbroich. Das Gebäude ist nach ökologisch-nachhaltigen Gesichtspunkten in Holzarchitektur erbaut und komplett CO2-neutral.

Je länger Lucia Scheige sich mit Naturprodukten beschäftigt, desto mehr fasziniert sie ihre Arbeit. In einem Interview spricht die sympathische junge Frau über Nachhaltigkeit, Produkte, sich und die Zukunft. Mit viel Geduld beantwortet sie meine vielen Fragen.
Frau Scheige, wie ist Ihr Vater, nach Gründung des Unternehmens 1978 und dem ursprünglichen Schwerpunkt auf Bioase-Kochevents, später auf die Vermarktung von Seifen gekommen?
Alles fing mit der Vermarktung der Glasnagelfeile an. Wir haben sie 1999 auf dem deutschen Markt eingeführt und hatten ein einjähriges exklusives Vertriebsrecht. So war die Brücke in Richtung Naturkosmetik vorbereitet. Zur Seife kamen wir nach einem Sommerurlaub des Geschäftsführers, der in Frankreich (es muss so 2005 gewesen sein) an „jeder Ecke“ diese klobigen, authentischen Seifenblöcke sah und sich wunderte, warum es solche natürliche, traditionelle Seife bei uns nicht gab. Nach diesem Urlaub war ihm klar, dass er traditionelle Seife ins Sortiment aufnehmen möchte.
Bei der Suche nach der Geschichte der Seife ist er auf das syrische Aleppo gestoßen. Dort ist die Wiege der festen Seifen. Nach einem Besuch in Syrien unseres Bio-Zertifizierers hatten wir dann den für uns richtigen Verseifer, Talal Anis, gefunden, mit dem wir bis heute erfolgreich- und trotz aller Widrigkeiten in den vergangenen Jahren- zusammen arbeiten.
Wie erklären Sie sich die „Renaissance der Seife“? Sie erlebt ja geradezu einen Boom.
Da können wir selber nur Vermutungen äußern. Mir fallen dazu folgende Stichworte ein: „ zeroplastic“, also die Vermeidung von (Mikro-)Plastiken, die Bewegung „ fridays for future“, der Wunsch nach „minimal waste“, „back to he roots“. Ich denke, Menschen konsumieren wieder bewusster. Vielleicht wird den Menschen bewusst, dass Flüssigseife zu kaufen auch bedeutet, dass man 90% des Geldes für das Wasser ausgibt. Außerdem gewinnt der Markt „Naturkosmetik“ viele Freunde und somit auch die feste Seife. Seit Corona bewirbt sogar die Regierung unsere Seifen. Wir sind froh, dass wir in dieser unsicheren Zeit ein Produkt anbieten können, das wirklich gegen den Virus hilft.
Welche (Seifen-) Produkte sind bei Ihnen derzeit besonders gefragt?
Alle Savon du Midi Seifen sind sehr gefragt. Wir hoffen immer, dass die Sorten bis zur nächsten Lieferung halten. Oft schaffen wir es aber nicht, in den 8 Wochen zwischen den Lieferungen aus Frankreich, die ganze Nachfrage zu bedienen.
Bei den Aleppo-Seifen ist die Haarseife mit Abstand am gefragtesten. Die ist aber erst in einem Monat wieder verfügbar. Die handgeschnittenen Seifen gehen auch immer sehr gut und sind sehr gefragt. Haarseife machen wir seit 2011 und sind damit eine der ersten Firmen in Deutschland gewesen, die feste Seife zum Haarewaschen angeboten hat. 2011 hat man uns nicht so wahrgenommen mit unserer Haarseife – erst der große Hype führte dazu, dass neben uns viele Marken plötzlich Haarseife angeboten haben – man könnte also sagen, dass wir nicht auf den Zug aufgesprungen sind, sondern ihn in Gang gesetzt haben.

Was fasziniert Sie besonders an festen Seifen?
Uns fasziniert an festen Seifen, dass die uns heute bekannteste feste Seife, nämlich die Aleppo-Seife, bereits vor 1200 Jahren erfunden wurde. Dass man auf den Transport von unendlich viel Wasser verzichten kann. Durch die Zugabe von nur ein bisschen Duft kann man ein Wohlfühlprodukt schaffen und dieses mit auf eine weit entferne Reise mitnehmen. Die Savon du Midi ist mit ihren mehr als 19 Düften eine Reise für die Sinne! Faszinierend ist auch, dass man im Badezimmer auch gänzlich ohne Plastik auskommen kann – wenn man nur möchte.
Welche Vorteile haben feste Seifen gegenüber flüssigen Seifen?
Feste Seifen sind ergiebiger als flüssige Seifen. Bei festen Seifen muss kein Wasser transportiert und bezahlt werden. Außerdem können feste Seifen bei richtiger Lagerung ,im Gegensatz zur Flüssigseife, nicht verkeimen. Feste Seifen -hier vor allem die Aleppo Seifen- haben eine unbegrenzte Haltbarkeit, wenn sie trocken und dunkel lagern. Erst ab dem ersten Kontakt mit Wasser sollten diese innerhalb von 6 bis 24 Monaten aufgebraucht werden. Haarseifen pflegen besser, weil sie die Haut nicht einfach nur entfetten, sondern die Haut säubern, aber eine natürliche Rückfettung der Haut ermöglichen. Flüssige Produkte enthalten oft viele Konservierungs- und weitere Zusatzstoffe, die sich gut anfühlen sollen, aber unserer Meinung in Kosmetika nicht verloren haben. Alles, was wir auf unsere Haut geben, wird vom Körper absorbiert.
Flüssige Waschprodukte kommen meist nie ohne Plastik aus, selbst wenn der Tiegel aus Glas ist. Im Deckel oder in der Pumpe ist immer Plastik verarbeitet. Darauf kann man bei festen Seifen gänzlich verzichten. Seifen waschen mit Seifenwaschkraft und flüssige Produkte meistens mit Tensiden. Tenside sind meist aggressiv entfettend und belasten die Umwelt. Natürliche Seifen sind in der Regel alle biologisch abbaubar und somit umweltfreundlicher.
Über welche Kanäle gelangen ihre (Seifen-) Produkte an den Endverbraucher und in welche Länder liefern Sie?
Online direkt über uns oder über unsere Kunden, die wiederum online anbieten. Wir beliefern auch den Großhandel, wie z.B. dennree Zentrallager, Müller Drogerie, Alnatura und Biogarten. Über Biogarten bestellen dann wiederum Bioläden und Naturkosmetikfachhändler unsere Produkte. Wir verkaufen in alle europäischen Länder und in die Schweiz, nach Großbritannien und sogar nach Taiwan. Die einzigen europäischen Länder, die wir nicht direkt beliefern, sind Polen und Griechenland.
Über 14 Milliarden Euro gaben Verbraucher 2019 für Schönheitsprodukte aus. Die Naturkosmetik wächst und erreicht einen Marktanteil von mehr als 10%. Wohin geht die Entwicklung?
Seit wir Kosmetik machen, wächst der Markt stetig. Das zeigte uns auch unser diesjähriger Besuch bei der weltgrößten Biomesse Biofach, wo wir in der Naturkosmetikhalle Vivaness ausgestellt haben. Das erste Mal auf der Biofach waren wir als Aussteller der ersten Stunde im Jahre 1989 und wir waren einer von ca. 80 Ausstellern. Hier die Zahlen von diesem Jahr: 3.218 Aussteller, 275 davon auf der VIVANESS, und rund 50.000 Fachbesucher aus 134 Ländern . Das zeigt den stetigen Wachstum der Biobranche und der Naturkosmetik.
Wie erreichen Sie die Zielgruppe der Jüngeren? Eher online oder in Bio-Läden?
Wie welche Generation kauft, kann ich nicht sagen. Aber ich denke schon, dass das jüngere Publikum eher online bestellt, als in Bioläden zu gehen. Wir sind mit unseren Marken bei Instagram und Facebook aktiv und wollen so die junge Zielgruppe erreichen und finden, das funktioniert ganz gut. Außerdem haben wir unseren Online-Shop schön, jung und frisch gestaltet, um auch hier das junge Publikum anzusprechen.
Welche Trends gibt es für die Zukunft und welche Ziele haben Sie?
Wir sind froh, wenn wir dieses Jahr erstmal die stark gestiegene Nachfrage durch Corona bedienen können. Wann wieder Zeit für Neues ist, kann man momentan nicht sagen. Wir haben zwei neue Seifen bzw. festes Shampoo in Planung , aber bis zur Umsetzung dauert es noch Monate. Unser Ziel für 2020 ist es, alle Seifen, die bisher noch keine Naturkosmetik- Zertifizierung haben, zu überarbeiten, um hoffentlich bald nur zertifizierte Seifen anbieten zu können. Als Bionier ist uns sowas immer besonders wichtig!
Was macht Ihnen an ihrer Arbeit besonders viel Spaß?
Da wir ein sehr kleines Unternehmen sind, haben wir als Mitarbeiter viele Freiheiten. Man kann seine Arbeit selber mitgestalten und gerade in einer Position, wo man alles im und vom Unternehmen kennen lernt, wird einem nie langweilig. Kein Tag ist wie der andere, jeden Tag gibt es neue Herausforderungen, an denen man wachsen und lernen kann. Mit Naturkosmetik zu arbeiten bedeutet, auch vieles über den eigenen Körper und die Natur zu lernen. Am Anfang war das Neuland für mich und jetzt kann man sagen, ist aus dem Beruf eine Leidenschaft geworden. Es ist so interessant, was die Natur alles kann!
Wussten Sie, dass am 15.10. Welthändewaschtag (BZgA) ist?
Nein, das wusste ich noch nicht. Aber ich glaube, seit diesem Jahr gibt es sogar ein Welthändewaschjahr 2020 : das Corona-Jahr.
Frau Scheige- vielen Dank für das spannende Interview!
Nachtrag der Redaktion: in der Stiftung Warentest Ausgabe 06/20 ist die Finigrana Haarseife der Firma Treibholz sogar Testsieger in der Kategorie Haarseifen geworden.